Chancen für Anleger: Eurozone wieder en vogue?

Euroabsturz, Ölpreisverfall, Griechenland-Krise und das EZB-Programm mit Billionen zum Ankauf von Staatsanleihen - die ersten zwei Monate des Jahres gestalteten sich recht turbulent.
von Max Holzer, Gastautor von Euro am Sonntag
Es tut sich etwas in der Eurozone. Der Jahresauftakt 2015 hatte einiges zu bieten: eine Ausweitung der Anleihekäufe seitens der Europäischen Zentralbank (EZB), Turbulenzen beim Schweizer Franken, die Griechenland-Wahl - nicht zu vergessen der Sturzflug von Euro und Ölpreis. Was bedeutet diese Ereignisfülle für die europäischen Kapitalmärkte?
Einen wesentlichen Teil der Rahmenbedingungen für Anleger bestimmt aktuell - einmal mehr - die EZB. Mit der Ausweitung ihres Anleiheankaufprogramms auf monatlich 60 Milliarden Euro hat sie für einen Paukenschlag gesorgt. Rechnet man das Volumen auf die voraussichtliche Dauer (also von März 2015 bis September 2016) hoch, dann ergibt sich die gigantische Gesamtsumme von 1,1 Billionen Euro. Kein Wunder, dass viele Beobachter von einer "Bazooka" sprechen, denn von diesem Schritt ist einiges an Durchschlagskraft zu erwarten. Die unter dem Motto der quantitativen Lockerung ("Quantitative Easing", kurz QE) stehenden Käufe sollen nach dem Kapitalschlüssel der Notenbank erfolgen, das heißt, es werden breit angelegt Staatsanleihen aller Euroländer gekauft.
Erstaunlich ist zudem das Laufzeitenspektrum. Denn anders als erwartet werden die Währungshüter nicht nur am kurzen Ende, sondern auch sehr lang laufende Papiere (bis zu 30 Jahre) kaufen. Was sind die Effekte? Die Renditen sinken weiter über das gesamte Laufzeitenspektrum. Das Niedrigzinsumfeld in der Eurozone wird somit fest verankert.
Schwacher Euro und Ölpreis als Konjunkturschmierstoffe
Diese Entwicklung bleibt für den Wechselkurs des Euro nicht ohne Folgen. Zwar wirkt der Außenhandelsüberschuss der Europäischen Währungsunion (EWU) mit dem Rest der Welt grundsätzlich stützend auf die Gemeinschaftswährung. Aber mit den Maßnahmen der EZB und einer sich abzeichnenden geldpolitischen Wende in den USA dürfte die Zinsdifferenz zunehmen. Entsprechende Finanzströme sollten die Folge sein - es fließt also Kapital aus der Niedrigzins-Eurozone in höher rentierliche Anlageräume. Damit gerät der Euro, wie man bereits erkennen kann, strukturell unter Druck. Für die exportorientierten Branchen ist dies jedoch eine gute Nachricht. Notierte der Euro im Frühsommer 2014 noch bei knapp 1,40 US-Dollar, so ist die Gemeinschaftswährung mittlerweile bereits für weniger als 1,14 US-Dollar zu haben.Wichtig für die Aussichten der europäischen Kapitalmärkte ist zudem der Ölpreis. Denn: Auch wenn einige europäische Staaten wichtige Förderländer sind, das Gros des Kontinents importiert das schwarze Gold. Ein fallender Ölpreis wirkt daher für die meisten Euroländer wie ein Konjunkturprogramm. Obwohl in den jüngsten Wochen eine leichte Gegenbewegung zu beobachten war, bleibt Öl auf absehbare Zeit relativ billig. Bei Union Investment rechnen wir bis zum Jahresende mit einem Anstieg der Notierung je Fass der Sorte Brent auf 70 US-Dollar. Zum Vergleich: Im Sommer 2014 lag der Preis noch oberhalb der Schwelle von 100 US-Dollar.
Der schwache Euro und der niedrige Ölpreis wirken wie Schmierstoffe für die Konjunktur in der Eurozone. Beides zusammen könnte sich auf ein zusätzliches Wachstum von 0,7 bis 0,8 Prozent summieren - eine gewaltige Größenordnung. In den Prognosen vieler Volkswirte ist dieser Impuls noch nicht vollständig enthalten, sodass positives Überraschungspotenzial für die Konjunktur in der Währungsunion besteht. Hinzu kommt der stimulierende Effekt der EZB-Maßnahmen. Zwar ist unter Volkswirten umstritten, wie stark das QE tatsächlich auf die Realwirtschaft wirkt. Klar ist aber: Die Zinsen bleiben auf absehbare Zeit niedrig, und das kann für die Konjunktur nicht schlecht sein.
Den unterstützenden Faktoren EZB, Eurokurs und Ölpreis stehen auch Risiken gegenüber. In erster Linie gilt dies für die politische Landschaft und den Kurs Europas in der Schuldenkrise. Wie das Ergebnis der griechischen Parlamentswahl deutlich gemacht hat, sind die Reformen der vergangenen Jahre stark in die Kritik geraten - nicht nur in Griechenland, sondern auch in Spanien und Portugal. Dort stehen 2015 ebenfalls Urnengänge an. Auch wenn sich die wirtschaftlichen Erfolge erst langsam einzustellen beginnen, so hat gerade der so heftig umstrittene Kurs maßgeblich zu einer Verbesserung der Lage beigetragen. Eine Kehrtwende droht jedoch das Erreichte aufs Spiel zu setzen.
Aus Anlegersicht ergeben sich aus dieser Gemengelage mehrere Konsequenzen. Erstens sind Staatsanleihen aus den Kernländern der Eurozone (angesichts der erreichten Renditetiefstände) unattraktiv. Wer also auf Rentenpapiere setzen will, dem bieten sich eher in den Segmenten mit Risikoaufschlag - den Spread-Produkten - noch Chancen.
Deutsche Anleger zu stark auf Euro-Rentenmärkte fixiert
Zweitens sollte man auf der Rentenseite grundsätzlich eine Diversifizierung der Investitionen über den Euroraum hinaus in Erwägung ziehen. Viele deutsche Anleger sind (zu) stark in den Euro-Rentenmärkten engagiert, dabei sind die Zinsniveaus andernorts lukrativer. Für eine solche Internationalisierung spricht auch die Währungsentwicklung. Wertet der Euro nämlich ab, legen Fremdwährungsengagements ganz automatisch zu. Hier gibt es also einen Renditehebel. Aber Vorsicht: Währungen können schnell und heftig schwanken, wie zuletzt das Beispiel Schweizer Franken gezeigt hat.Und drittens ist das Umfeld positiv für Aktien aus der Eurozone - trotz aller politischen Unwägbarkeiten. Durch den schwachen Euro steigen die Exportchancen, das Absatzpotenzial vieler Unternehmen erhöht sich also. Da Öl in der Wertschöpfungskette in vielen Produkten Eingang findet (und sei es durch den Transport), sinken zudem vielerorts die Ausgaben der Firmen. Schließlich bleiben wegen der EZB-Maßnahmen die Zinskosten niedrig, was wie ein zusätzlicher Schub auf die Ertragskraft des Unternehmenssektors wirkt.
Es gibt sie also, die neuen Anlagechancen auf dem alten Kontinent. Aber: Nicht jedes europäische Investment ist plötzlich wieder en vogue. Anleger sollten deshalb genau hinschauen, denn auch im Jahr 2015 gibt es erhebliche Attraktivitätsunterschiede unter den Assetklassen, Ländern, Branchen und Unternehmen. Und: Man sollte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, denn mit vorübergehenden Marktschwankungen ist durchaus zu rechnen.
Kurzvita
Max Holzer,
Leiter der
Asset Allocation bei Union Investment
Holzer leitet seit 2004 das Portfoliomanagement der Multi-Asset-, Garantie-, Rohstoff- und
Wandelanleihefonds von Union Investment. Zudem legt sein Bereich die Strategie für die Asset
Allocation der Union-Investment-Gruppe fest. Holzer blickt auf 23 Jahre Erfahrung im Bereich
Asset Allocation zurück. Von 1994 bis 2004 war er leitend im Portfoliomanagement der Dresdner Bank/Allianz Investmentgruppe tätig. Seine berufliche Laufbahn begann 1987 im Investment Research der Dresdner Bank. Zuvor studierte er Wirtschaftsinformatik an der Universität Darmstadt.
Union Investment ist die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken und mit aktuell über 230 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen einer der größten deutschen Vermögensverwalter für private und institutionelle Anleger.
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