Vitamine und Valium von der EZB

Im Januar hat die EZB ein umfangreiches Wertpapierkaufprogramm beschlossen, das sogenannte Quantitative Easing (QE). Was diese Geldschwemme für die Kapitalmärkte bewirkt.
von Oliver Postler, Gastautor von Euro am Sonntag
Die EZB wird ab März Anleihen aus der Eurozone für insgesamt über eine Billion Euro kaufen. Nur zur Veranschaulichung: Mit dieser Summe könnte man die Wegstrecke von München nach Rom in 100-Euro-Scheinen auslegen. Die Märkte reagierten auf diese Nachricht wie von der EZB gewünscht: Aktien und europäische Staatsanleihen haben kräftig zugelegt, der Euro hat spürbar nachgegeben und die Inflationserwartungen sind leicht gestiegen. Davon profitiert die Konjunktur in Europa. Die Abschwächung des Euro gegenüber dem US-Dollar greift vor allem den exportorientierten Unternehmen unter die Arme. Und es hebt die allgemeine Stimmung - ein nicht zu unterschätzender psychologischer Faktor für eine Konjunkturbelebung. Kurzum: Die neuen geldpolitischen Maßnahmen der EZB scheinen also zu greifen.
Was aber bedeutet das EZB-Programm für die Kapitalmärkte und welche Folgerungen ergeben sich daraus für den Anleger? Mit den umfangreichen Ankäufen durch die EZB werden die Renditen für Staatsanleihen und in der Folge auch für andere Anleihesegmente weiter sinken. Erst jüngst hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eine neue fünfjährige Bundesanleihe platziert, für die er keinen Cent Zinsen zahlen muss. Mit sinkenden Renditen aber steigt der Kurswert. Das ist allerdings nur für diejenigen Anleger interessant, die bereits Anleihen in ihrem Portfolio haben und diese verkaufen möchten. Wer seine Anleihen jedoch bis zum Ende der Laufzeit halten will, hat weder etwas zu verlieren noch zu gewinnen - am Ende werden 100 Prozent des Nominalwerts zurückgezahlt. Neu-Anleger allerdings können nach Kosten, Inflation und Steuern in weiten Teilen des Anleihebereichs kaum oder keine Rendite mehr generieren. Höhere Zinsen bieten nur noch Anleihen von Euro-Peripherieländern. Allerdings ist hier auch das Risiko größer.
Signale für Erholung in
Deutschland wurden stärker
Was also bleibt dem Anleger in Zeiten von Niedrigst- oder gar Nullzinsen auf Sparguthaben? Klare Antwort: Aktien. Denn Unternehmen sind die eindeutigen Gewinner des Kaufprogramms der EZB und der aktuellen Entwicklungen an den Märkten. Der europäische und insbesondere der deutsche Aktienmarkt könnten in diesem Jahr regelrecht reüssieren. Der Jahresauftakt war schon recht vielversprechend. Der niedrige Euro heizt die Exporte an, vor allem die in die USA, einem der wichtigsten Handelspartner Deutschlands.
Dort zieht die Konjunktur seit einigen Monaten bereits kräftig an. Die Gewinne der Unternehmen in den USA steigen, ebenso die Haushaltseinkommen der Verbraucher. Die Nachfrage nach Produkten aus dem Ausland steigt wieder, und davon profitieren die Unternehmen in Europa. Erfahrungsgemäß zieht ein schwächerer Euro mit gewisser zeitlicher Verzögerung meist eine deutliche Verbesserung der Exporterwartungen nach sich. Die zuletzt starken Zahlen für die Auftragseingänge sind ein Vorgeschmack.
Neben noch günstigeren Finanzierungsbedingungen macht gleichzeitig der niedrige Ölpreis das Produzieren für Unternehmen billiger. Für energieintensive Branchen ist das eine riesige Kostenentlastung. Und auch die privaten Haushalte werden sich einiges sparen können. Das wird sich bereits in den kommenden Monaten auf die Frühindikatoren auswirken und den Aktienmärkten helfen. Allerdings darf man den starken Jahresauftakt nicht einfach linear nach oben schreiben. Noch sind die politischen Risiken (Griechenland, Russland/Ukraine) zu hoch. Zudem ist die Bewertung der Aktienmärkte zum Teil schon recht fortgeschritten. Daher dürfte es immer wieder zu temporären Rückschlägen kommen - zu mehr allerdings nicht. Die Richtung weist klar nach oben.
Unterstützung kommt dabei von der Konjunktur. Die Stimmung in der Wirtschaft hellt sich bereits wieder auf. Im Januar kletterte der Ifo-Geschäftsklimaindex auf 106,7 Punkte und hat sich damit zum dritten Mal in Folge verbessert. Damit sind die Signale für die Erholung in Deutschland klarer und stärker geworden. Für das erste Quartal 2015 erwarten wir eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums auf 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Für das Gesamtjahr bekräftigen wir unsere BIP-Prognose von 1,4 Prozent; es könnte aber durchaus noch besser kommen.
Grundsätzlich bewirkt das Wertpapierkaufprogramm keine Verbesserung von strukturellen Schwächen eines Landes, eines Sektors oder Unternehmens. Daher profitieren vor allem jene Märkte und Sektoren von den Maßnahmen, die bereits einen positiven Gewinn- und Dividendentrend aufweisen. Das sind zum Beispiel Unternehmen aus der Chemie-, Nahrungsmittel und Haushaltsgüterbranche, oder auch aus dem Gesundheitswesen, die bereits in der Vergangenheit gute und stabile Dividenden auszahlen konnten. Grundsätzlich gilt: Diejenigen Unternehmen, die in Zeiten eines starken Euro keine Probleme hatten, bekommen jetzt erst recht richtig Rückenwind. Reine Währungsprofiteure haben auf Dauer keine Chance.
Bei den sogenannten zyklischen Industriesektoren wie Automobil, Maschinenbau oder Grundstoffe dürfte die Erholung aber angesichts des vorerst zaghaften konjunkturellen Aufwinds in Europa noch nicht auf breiter Basis erfolgen. Sie sind deutlich stärker abhängig von der Konjunktur und werden auch weiterhin hohe Gewinnschwankungen haben.
Wachstumsunterschiede in
der Eurozone werden bleiben
Je weiter das Jahr fortschreitet, desto deutlicher sollte die positive Wirkung des niedrigen Ölpreises und des schwächeren Euro auf die Konjunktur werden. Wir erwarten, dass sich 2015 das Wachstum in der Eurozone von einem niedrigen Niveau aus nach und nach verbessern wird und dieser Trend 2016 anhält. Innerhalb der Europäischen Währungsunion werden die Wachstumsunterschiede aber fortbestehen. Neben Deutschland erholen sich vor allem die Länder deutlicher, die Reformen durchgeführt haben.
Ein Freibrief für (frühere) fiskalische Sorglosigkeit ist das Kaufprogramm indes nicht. Das zeigen die Regelungen für Griechenland und Zypern. Risikobehaftete Länder ohne Investment-Grade-Rating sind nämlich zunächst vom Kaufprogramm ausgenommen. Sie werden nur zugelassen, wenn sie an einem Rettungsprogramm teilnehmen und sich strikt an die Auflagen der Währungshüter halten. Die neue griechische Regierung muss sich also genau überlegen, ob sie die bestehenden Vereinbarungen kündigen will. Klar ist, dass Athen weiter auf finanzielle Unterstützung durch die Rettungspakete angewiesen sein wird. Klar ist auch, dass es Hilfe nur gegen Einhaltung der Reformen geben kann. Ein Schuldenschnitt allein würde das Problem auch nicht lösen. Bei laxer Haushaltspolitik wäre der Schuldenberg schnell wieder aufgehäuft. Es braucht eine nachhaltige Konsolidierung der Finanzen im Verbund mit weitreichenden Strukturreformen, um ein Land an die Kapitalmärkte zurückzuführen.
Kurzvita
Oliver Postler,
Chief Investment
Officer der
HypoVereinsbank Private Banking und Wealth Management
Postler ist seit 2007 als Chief Investment Officer verantwortlich für die Anlagestrategie, Investmentkommunikation und Vermögensverwaltung der HypoVereinsbank. Der zertifizierte Financial Planner (EBS) und Stiftungsberater der Uni Jena verantwortet ferner die Anlagestrategie für den Pensionsfonds der Bank. HypoVereinsbank Private Banking ist auf die Beratung vermögender Kunden spezialisiert und zählt mit rund 44 000 Kunden und einem Volumen von etwa 30 Milliarden Euro sowie etwa 370 Beratern und Spezialisten zu den größten Anbietern im Private Banking. Mit 46 Standorten von Sylt bis Garmisch-Partenkirchen verfügt die Bank über eines der dichtesten Betreuungsnetze für Private-Banking-Kunden in Deutschland.
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