Münzen: Auf der Jagd nach glänzenden Stücken
Die Preise für Sammlerstücke steigen und steigen. Euro am Sonntag hat sich bei einer Auktion umgesehen und sagt, was Käufer beachten müssen.
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von Andreas Höss, Euro am Sonntag
Erich und Wilhelm sitzen im Auktionssaal in Borgholzhausen. Etwa 30 weitere Bieter haben den Weg zu der Münzauktion in einem Landgasthof im Teutoburger Wald gefunden, rund 1500 Interessenten aus der ganzen Welt steigern über Internet und Telefon mit. Vor Erich und Wilhelm liegt der 400 Seiten dicke Auktionskatalog, ein Taschenrechner, eine Lupe und der Jäger — die Bibel der Münzsammler, in der alle deutschen Münzen ab 1871 gelistet sind. Das Ambiente erinnert an eine Kaffeefahrt, aber davon sollte man sich nicht täuschen lassen: Bis Ende der Auktion werden 700 000 Euro den Besitzer wechseln.

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Plus500: Beachten Sie bitte die Hinweise5 zu dieser Werbung.Der Händler Erich wird heute im Auftrag von Kunden mitsteigern. Der Sammler Wilhelm hat es ebenfalls auf ein paar schöne Stücke abgesehen. Bisher haben sie sich an ihrem Kaffee festgehalten, nun wird es für sie spannend: Goldmünzen aus dem deutschen Kaiserreich von 1871 bis 1918 kommen unter den Hammer. Bei 20 Goldmark von 1874, auf die das Konterfei des Großherzogs Friedrich von Baden geprägt ist, schlägt Erich zu. In Schritten von zehn Euro wirft er Konkurrenten aus dem Rennen. Schließlich stellt der Auktionator die entscheidende Frage: „Höre ich eine Sechs davor?“ Erich nickt leicht genervt. Für 600 Euro plus Aufgeld für das Auktionshaus geht das glänzende Stück an Erichs Kunden, wo es eine Lücke in einer Sammlung füllen wird. Der kurze Seitenblick von Wilhelm könnte heißen: Da machst du aber sicher auch noch deinen Schnitt.
Erich, der süddeutsche Händler, und Wilhelm, der norddeutsche Sammler: Sie stehen auf verschiedenen Stufen der numismatischen Nahrungskette, teilen aber ihre Leidenschaft für Münzen, kennen sich seit Jahren und treffen sich regelmäßig auf Auktionen. Und seit einiger Zeit erleben Sie einen Boom: Die Preise für viele Sammlermünzen haben in den letzten Jahren deutlich angezogen.
Jenseits von Gut und Böse
Höchstpreise gab es nicht nur bei hochwertigen deutschen Talern und Münzen aus der Habsburgermonarchie und dem Kaiserreich, dem Jagdgebiet von Erich und Wilhelm. Auch bei polnischen, russischen oder chinesischen Münzen gehen die Auktionspreise durch die Decke. Bei den Teutoburger Münzauktionen wechselten 2011 fünf chinesische Silbermünzen für 290 000 Euro den Besitzer. Der Kunde, für den das Auktionshaus die Münzen versteigerte, hatte in den 90er-Jahren nicht einmal 10 000 Mark für sie bezahlt. Beim Konkurrenten Künker wurden im Februar sogar 650 000 Euro für einen sogenannten Familienrubel des russischen Zaren Nikolaus aus dem Jahr 1836 geboten — so viel wie nie zuvor in Deutschland.
Für Erich und Wilhelm ist das „jenseits von Gut und Böse“. Vorn beim Auktionator geht es gerade um eine Goldmünze aus dem Jahr 1895, auf der König Otto von Bayern abgebildet ist. Der Bruder des bayerischen „Märchenkönigs“ Ludwig II. galt als geisteskrank, wurde im Schloss Fürstenried isoliert und von den Regierungsgeschäften ferngehalten. Heute könnte er sich in eine norddeutsche Sammlung verirren. Seufzen, als der Preis über 400 Euro steigt: dann eben nicht.
Anders als für Erich, der seinen Lebensunterhalt mit Numismatik verdient, sind die Preissteigerungen für Wilhelm zweitrangig. „Wer nur spekulieren will, soll Aktien kaufen“, sagt er. Ihm geht es um die Geschichten und Personen, die hinter den Münzen stecken, um die „historischen Wurzeln“: „Man muss sich nur vorstellen, was diese Münzen alles erlebt haben und durch wie viele Hände sie gegangen sind.“
Dass die Sammlung für Wilhelm mehr ist als ein kultureller Anker, wird trotzdem schnell klar. Aus Angst vor Einbrechern will er seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen. Wie viel seine Sammlung genau wert ist, will er auch nicht sagen. Nur so viel: Ein großer Teil davon liege in einem Tresor in seiner Bank. „Das ist auch eine Art Altersvorsorge“, sagt er. „Es ist gut, dass sie nicht aus Euros besteht.“
Münzmarkt im Krisenmodus
Ohnehin ist die Krise ein großes Thema für den Münzmarkt. Die laxe Geldpolitik der Notenbanken lässt viele Deutsche an der Stabilität ihres Geldes zweifeln, weshalb die Notierungen für die Angstwährung Gold explodiert sind. Der Euro könnte im schlimmsten Fall auseinanderbrechen. Die Folgen für Sparbücher, Aktien oder Pensionspläne wären unüberschaubar.
Kein Wunder, dass Zahlungsmittel wieder in den Blick rücken, die man schon vor 2000 Jahren in Rom ebenso gegen Waren tauschen konnte wie im Teutoburger Wald, weil sie aus seltenen Metallen bestehen. Wegen der niedrigen Leitzinsen sind Investoren zudem auf der Suche nach Rendite. Die Auktionsrekorde sind also auch ein Ergebnis der Eurokrise und der globalen Unsicherheit.
Doch die steigenden Preise lassen sich nicht allein auf die Flucht in Sachwerte zurückführen. So verteuerten sich russische und zum Teil auch Münzen aus dem Habsburger Reich, weil die Mittelschicht im ehemaligen Ostblock wächst. Ähnlich ist es mit chinesischen Münzen. Hinzu kommt, dass in China bis vor wenigen Jahren ein Gold- und Silberverbot bestand, Gedenkmünzen wurden fast ausschließlich im Ausland abgesetzt. Seit das Verbot aufgehoben wurde, kaufen die Chinesen diese im großen Stil zurück. Anders bei Gedenkmünzen aus der BRD: Hier sind selbst bei ehemals begehrten Sammlerstücken die Preise heftig eingebrochen. Es geht am Münzmarkt also nicht nur aufwärts.
Edles Stück oder edles Metall?
„Wer erfolgreich in Münzen investieren will, sollte neben historischem Interesse auch eine solide Marktkenntnis mitbringen“, warnt deshalb Boris Kaczynski, Numismatikexperte beim Münchner Edelmetallhändler Pro Aurum. Ramsch sei für Laien nur schwer von Raritäten zu unterscheiden, so der promovierte Historiker. Es hänge von Erhaltung, Seltenheit und Nachfrage ab, ob ein Stück mehr wert ist als das Metall, aus dem es geprägt ist.
Kommt alles zusammen, kann ein Weltrekord herausspringen. Diesen hält eine US-Münze, der Saint-Gaudens Double Eagle von 1933: Als US-Präsident Franklin D. Roosevelt den Amerikanern im Zuge der Weltwirtschaftskrise den Goldbesitz verbot, sollten bis auf zwei Museumsexemplare sämtliche Prägungen des Jahrgangs wieder eingeschmolzen werden. Dennoch entging ein drittes unter mysteriösen Umständen der Schmelze, tauchte 2002 in den Auktionsräumen von Southeby’s in New York auf — und ging für 7,6 Millionen US-Dollar über den Tisch.
In Borgholzhausen beginnen Erich und Wilhelm ihre Mittagspause. Am Buffett neben dem Auktionsraum gibt es Würste, Kassler, Grünkohl und Kartoffeln. Ein Double Eagle für Millionen von Dollar wurde heute nicht versteigert, die teuersten Stücke gingen für 10 000 Euro weg. Die Bilanz der beiden ist durchwachsen: „Heute war viel Ramsch dabei“, sagt Wilhelm, der bisher noch nicht mitgeboten hat.
Ganz ohne Geld auszugeben wird Wilhelm aber nicht nach Hause fahren. Am Rand der Auktion führt er eigene Verhandlungen: Erich hat ihm zwei sowjetische Tscherwonez mitgebracht. Russische Bauern sind darauf abgebildet, die ihre Saat auf den Feldern ausbringen, 800 Euro sollten die beiden Goldmünzen zusammen kosten. Vor wenigen Minuten erzielten ähnliche Exemplare bei der Auktion knapp 100 Euro mehr. Eine Steilvorlage: „Ich glaube, mein Preis ist gerade gestiegen“, sagt Erich zu Wilhelm. Manchmal müssen sich eben auch sozialistische Feldarbeiter den harten Regeln des Kapitalismus unterwerfen.
Investor-Info
Edelmetalle
Münzen und Metalle
Münzen sind im schlechtesten Fall nur so viel wert wie das Metall, aus dem sie geprägt sind (Ausnahme: Münzen mit Nennwert, die noch als Zahlungsmittel zulässig sind). Vor allem die Preise für klassische Anlagemünzen wie Maple Leaf oder Krügerrand bewegen sich mit den Edelmetallpreisen. Seit 2008 haben sich die Preise je Unze (31,1 Gramm) Gold und Silber mehr als verdoppelt. Zuletzt haben die Preise wieder leicht nachgegeben.
Erhaltungsgrade
Schön ist nicht gleich schön
Der Preis für Sammlermünzen hängt von drei Faktoren ab: Seltenheit, Nachfrage und Erhaltung. Letztere ist für Laien schwer zu beurteilen. Heißt es bei einer Münze, sie sei „schön“, ist das alles andere
als eine Auszeichnung. Bei modernen Münzen ist
„polierte Platte“ die beste Qualitätsklasse, bei antiken Münzen „unzirkuliert“: Die Münze war kaum im Umlauf, weist entsprechend wenig Kratzer oder Schäden auf. Haben Münzen eine Patina angesetzt, ist das eher ein Echtheitsmerkmal als ein Problem. Nur Fachleute sollten Münzen reinigen, sonst droht Wertverlust. Hier aufsteigend die Qualitätsklassen: gering erhalten, schön, sehr schön, Stempelglanz, unzirkuliert (Antike), polierte Platte (Neuzeit).
Auktionen und Händler
Hier gibt es Sammlerstücke
Wer eine Münzsammlung mit seltenen Stücken aufbauen will, sollte sich an die renommierten Händler und Auktionshäuser halten. Hier ist die Gefahr gering, dass man eine Fälschung erwirbt. Zu den größten Händlern in Deutschland zählen MDM und das Bayerische Münzkontor, über die es allerdings bei Käufern von Zeit zu Zeit Beschwerden wegen überhöhter Preise geben soll. Besser: Künker, Gorny und Mosch, Pro Aurum Numismatik oder die Teutoburger Münzauktionen — um nur einige zu nennen. Sie veranstalten auch Auktionen und beschäftigen in der Regel Numismatiker, die Kunden beim Kauf beraten oder Sammlungen und Einzelstücke bewerten. Über Messe- und Auktionstermine informieren regelmäßig die Internetseiten der Fachverbände wie etwa des Berufsverbands des Münzfachhandels oder des Verbands der Deutschen Münzhändler.
Steuern
Der Fiskus kassiert mit
Die Besteuerung von Gold-und Silbermünzen ist uneinheitlich. Anlagemünzen wie der Krügerrand sind grundsätzlich steuerfrei. Auf numismatische Goldmünzen wird in der Regel der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent fällig. Bei Silbermünzen gibt es Planungen im Bundesfinanzministerium, die Steuern von sieben auf 19 Prozent anzuheben.