In neuer Gesellschaft

E.ON: Warum sich der Konzern aufspaltet

30.12.14 03:00 Uhr

E.ON: Warum sich der Konzern aufspaltet | finanzen.net

Deutschlands größter Stromkonzern E.ON spaltet sich auf - was hinter dem Schritt von E.ON steckt.

Werte in diesem Artikel
Aktien

15,55 EUR -0,09 EUR -0,54%

von Sabine Gusbeth, €uro Magazin

Irgendwann im Laufe des Jahres 2014 muss in Johannes Teyssen die Entscheidung gereift sein: So geht es nicht weiter. Der E.ON-Chef hat es satt, Getriebener der Politik zu sein. Er will wieder selbst lenken - und nicht warten, bis die Politik ihm die Weichen stellt. Endlich wieder agieren, nicht reagieren. So trat Anfang Dezember ein angriffslustiger Teyssen vor die Mikrofone. Was er zu sagen hatte, versetzte Politik, Konkurrenz und Börsen in Bewegung.

Wer­bung

Der größte deutsche Energieversorger will sich aufspalten. In einen jungen dynamischen Teil unter dem Namen E.ON. Dieser soll auf erneuer­bare Energien, intelligente Stromnetze und Energiedienstleistungen setzen oder wie Teyssen es formulierte, auf "die neue Energiewelt". Und in einen Teil, bislang als "Neue Gesellschaft" bezeichnet. Er soll Wasser-, Gas-, Kohle- und Atomkraftwerke, Energiehandel sowie Gasförderung und -produktion weiterführen. Insbesondere die konventionelle Energieerzeugung ist durch die Energiewende in Deutschland stark unter Druck geraten.

Aus Sicht des Unternehmens, aber auch der Investoren ist die Aufspaltung sinnvoll. Für Politik und Steuerzahler birgt sie unwägbare Risiken.
Teyssens Flucht nach vorn ist eine Reaktion auf die ausweglose Situa­tion, in der er das Unternehmen infolge der Energiewende sieht. Oder wie Teyssen es selbst diplomatisch formuliert: "Das bisherige Geschäftsmodell von E.ON wird den neuen Herausforderungen nicht mehr gerecht." Der Konzernbetriebsrat wird da etwas deut­licher: "Der Vorstand hat die Reiß­leine gezogen."

Die Düsseldorfer sind mit diesem Problem nicht allein. Das einstige Oligopol der vier großen Energieerzeuger E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall hat in der Vergangenheit Milliarden mit billigem Atomstrom verdient. Doch seit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 14. März 2011 - nach dem Atomunfall im japanischen Fukushima - den endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022 verkündete, ist das Goldene Zeitalter der Energieriesen zu Ende.

Wer­bung

Doch der Atomausstieg ist nicht das einzige Problem, das die Versorger seither plagt. Wegen des rasant steigenden Angebots von Strom aus teils hoch subventionierten erneuerbaren Energien ist der Börsenpreis für Strom stark gefallen. Deshalb verdienen Erzeuger wie E.ON auch mit ihren Kohle- und Gaskraftwerken immer weniger Geld.
Wegen der fehlenden Wachstumsaussichten auf dem wichtigen deutschen Markt suchte E.ON-Chef Teyssen sein Heil im Ausland, in Russland, Brasilien und der Türkei. Doch sein Plan ging nicht auf. Der falsche Partner in Brasilien, die Ukraine-Krise und der Absturz von Rubel, Real und Lira machten ihm einen Strich durch die Rechnung.

Stolpernder Riese. Die Energiekonzerne galten bei ihren Aktionären - zu denen auch viele Kommunen zählen - lange als Fels in der Brandung, sprich als sichere Dividendenwerte. Doch nun sind sie ins Wanken ge­raten. "Auch ein Riese kann stolpern, wenn sie ihn auf dem falschen Fuß erwischen", beschrieb RWE-Chef Peter Terium jüngst auf dem Wirtschaftsgipfel der "Süddeutschen Zeitung" die Situation der Versorger. Er bezeichnete die Lage als "durchaus sehr ernst".

Wie ernst die Situation der einstigen Oligopolisten ist, zeigt ein Blick in die Bilanzen: Nach €uro-Berechnungen mussten E.ON und RWE seit 2011 ihre Unternehmenswerte um über 40,5 Milliarden Euro nach unten korrigieren. Allein 2014 wird E.ON sage und schreibe 5,2 Milliarden Euro abschreiben müssen, weil seine Kraftwerke und Auslandsbeteiligungen an Wert verloren. Es sind diese Abschreibungen, die Aktionären in den vergangenen Jahren so wehtaten.

Wer­bung

Gut geplant von E.ON: Diese Ankündigung von Finanzchef Klaus Schäfer ging im Getöse um die Unternehmens­aufspaltung unter. Auch sein Hinweis, dass dies zu einem "erheblichen Konzernfehlbetrag" führen werde, fiel in der Aufregung kaum auf. Doch statt E.ON wegen der Gewinnwarnung ab­zustrafen, feierten die Aktionäre die Aufspaltung, die für 2016 geplant ist. Ähnlich wie bei den Börsengängen der ehemaligen Siemens-Töchter Infineon und Osram sollen den E.ON-Anteilseignern dann Aktien der "Neuen Gesellschaft" zugeteilt werden.

Teyssen glaubt, dass die beiden ­Gesellschaften für unterschiedliche Investorengruppen interessant sind: Für die einen ist es die "Neue Gesellschaft" mit 51 Gigawatt konventionellem Stromerzeugungsgeschäft, der Gasproduktion in Russland sowie dem Energiehandel, der unter anderem Gasspeicher- und Gaslieferverträge umfasst. Für die anderen ist es die neue E.ON mit über 33 Millionen Endkunden vor allem in Großbritannien, der Türkei und Deutschland, mit einer Million Kilometer Verteilernetze in Europa und der Türkei und 4,4 Gigawatt Erzeugungskapazität in Windparks und Solarkraftwerken.

Dabei sind Chancen und Risiken nicht so eindeutig verteilt, wie erste Reaktionen vermuten lassen: Die schuldenfreie "Neue Gesellschaft" könnte ein Infrastrukturbetreiber werden, mit sicheren, weil regulierten Erträgen aus dem Gasgeschäft - und einem großen Potenzial auf dem sich langsam bildenden Markt für Versorgungssicherheit.
Und die neue E.ON soll mit intelligenten Netzen und erneuerbaren Energien von der Energiewende profitieren. Allerdings könnten die hohen Schulden von E.ON, die sich zuletzt auf fast 93 Milliarden Euro beliefen, den Spielraum für die notwendigen Investitionen beschränken. Die "Neue Gesellschaft" sei ein Wert, mit dem Investoren auf "Vola­tilität und Konsolidierung" setzen könnten, wohingegen die neue E.ON "Wachstum und Dividende" biete, fasste Teyssen das Chance-Risiko-Profil zusammen. Dabei sei es "noch nicht in die Bücher geschrieben, wer in fünf Jahren der Erfolgreichere ist".

Darüber hinaus bleibt ein großes Fragezeichen: Wer bezahlt den Rückbau der Kernkraftwerke und die Entsorgung des Atommülls? Teyssen wehrt sich gegen den Eindruck, er wolle sich durch die Aufspaltung des Konzerns dieser Lasten entledigen. Die Rückstellungen für die deutschen Atomkraftwerke sollen komplett auf die "Neue Gesellschaft" übergehen, zu deren Kraftwerkspark die Meiler künftig zählen sollen. Teyssen ist "überzeugt, dass die Rückstellungen für den Rückbau aller unserer Kernkraftwerke ausreichen". Doch was, wenn nicht? Wer bezahlt, wenn die "Neue Gesellschaft" pleitegeht? E.ON wollte auf Nachfrage von €uro nicht offenlegen, mit welchen Vermögenswerten die Rückstellungen gedeckt sind. Klar ist aber, durch die Aufspaltung werden auch die Vermögenswerte, sprich die Haftungsmasse, auf­geteilt. Die Netze verbleiben bei E.ON, Kraftwerkspark und Gasspeicher gehen in die "Neue Gesellschaft" über.

So richtig die Aufspaltung aus unternehmerischer Sicht sein mag, für den Steuerzahler entstehen unkalkulierbare Risiken. In jedem Fall wird es für die Politik dadurch schwieriger, die Lasten der Energiewende auf die Versorger abzuwälzen, wie zuletzt der Plan von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, die Kohlekraftbetreiber zu weiteren kostspieligen Einsparungen des Klimagases Kohlendioxid (CO2) zu zwingen. Vielleicht, so glaubt ein Insider, hatte es Teyssen einfach satt, "darauf zu warten, jedes Jahr ein Stück weiter hingerichtet zu werden".

Ausgewählte Hebelprodukte auf E.ON

Mit Knock-outs können spekulative Anleger überproportional an Kursbewegungen partizipieren. Wählen Sie einfach den gewünschten Hebel und wir zeigen Ihnen passende Open-End Produkte auf E.ON

NameHebelKOEmittent
NameHebelKOEmittent
Wer­bung

Bildquellen: E.ON

Nachrichten zu E.ON SE

Wer­bung

Analysen zu E.ON SE

DatumRatingAnalyst
08:51EON SE OutperformBernstein Research
15.05.2025EON SE Sector PerformRBC Capital Markets
15.05.2025EON SE BuyGoldman Sachs Group Inc.
14.05.2025EON SE HaltenDZ BANK
14.05.2025EON SE OutperformBernstein Research
DatumRatingAnalyst
08:51EON SE OutperformBernstein Research
15.05.2025EON SE BuyGoldman Sachs Group Inc.
14.05.2025EON SE OutperformBernstein Research
14.05.2025EON SE BuyDeutsche Bank AG
14.05.2025EON SE OverweightJP Morgan Chase & Co.
DatumRatingAnalyst
15.05.2025EON SE Sector PerformRBC Capital Markets
14.05.2025EON SE HaltenDZ BANK
14.05.2025EON SE NeutralUBS AG
14.05.2025EON SE HoldJefferies & Company Inc.
14.05.2025EON SE Sector PerformRBC Capital Markets
DatumRatingAnalyst
11.06.2024EON SE SellGoldman Sachs Group Inc.
11.12.2023EON SE UnderweightMorgan Stanley
09.01.2023EON SE UnderweightMorgan Stanley
20.09.2021EON SE UnderweightMorgan Stanley
11.05.2021EON SE UnderweightMorgan Stanley

Um die Übersicht zu verbessern, haben Sie die Möglichkeit, die Analysen für E.ON SE nach folgenden Kriterien zu filtern.

Alle: Alle Empfehlungen

Buy: Kaufempfehlungen wie z.B. "kaufen" oder "buy"
Hold: Halten-Empfehlungen wie z.B. "halten" oder "neutral"
Sell: Verkaufsempfehlungn wie z.B. "verkaufen" oder "reduce"
mehr Analysen