JPMorgan: Schottland ist bis 2019 unabhängig und hat eine eigene Währung

Nachdem eine knappe Mehrheit der britischen Bevölkerung in der vergangenen Woche für einen Brexit, also einen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, gestimmt hat, machten insbesondere die Schotten deutlich, dass sie diesen Weg nicht mitgehen wollen. Nun zeigt sich auch ein Wall Street-Riese überzeugt, dass mit dem britischen Referendum das Ende des Vereinigten Königreiches in der bislang bestehenden Form eingeläutet wurde.

Volksabstimmung über Abspaltung geplant

In einer Mitteilung an Kunden des Finanzhauses erklärte der JPMorgan-Wirtschaftsexperte Malcolm Barr: "Unser Basis Szenario ist, dass Schottland ein Unabhängigkeitsreferendum durchsetzen und eine eigene Währung einführen wird". Das Bankhaus zeigt sich zudem überzeugt, dass die Unabhängigkeit Schottlands bis 2019 erfolgt sein dürfte.

Zwei Optionen für die Briten

Barr erklärte weiter, es gäbe aktuell "unzählige Unklarheiten, wie sich die Beziehung zwischen Großbritannien und der EU weiter entwickeln wird". Er selbst sehe zwei mögliche Szenarien für die zukünftige Rolle von Großbritannien. Einerseits könnte das Königreich eine Vereinbarung nach dem Vorbild Norwegens treffen: Die Nordeuropäer erhalten Zugang zum Europäischen Binnenmarkt, beteiligen sich auf der anderen Seite aber an der Finanzierung der EU. Die zweite Option, die JPMorgan für die Briten sieht, und die die Experten aktuell für wahrscheinlicher halten, ist eine Vereinbarung, bei der Großbritannien nur eingeschränkten Zugang zum Binnenmarkt hat.
Darüber hinaus erwartet der Wall Street-Riese, dass der offizielle Nachfolger von David Cameron Artikel 50, der den Austritt aus der Europäischen Union regelt, noch in diesem Jahr aktivieren wird. Ab dann beginne die zweijährige Verhandlungsperiode, in deren Verlauf ein Ergebnis über die künftige Zusammenarbeit zwischen der EU und Großbritannien erzielt werden soll. Schottland werde noch vor dem Ende der Verhandlungen eigenständig sein, prognostiziert Barr weiter.

Brexit kann noch gestoppt werden

Er räumt aber auch ein, dass es sich um ein Szenario handele, das die Bank zum jetzigen Zeitpunkt für wahrscheinlich halte. Der Brexit könne aber auch noch gestoppt werden, nämlich dann, wenn insbesondere konservative Abgeordnete ihr Veto einlegen. Aktuell herrsche unter Rechtsexperten Uneinigkeit darüber, ob der neue Premierminister Großbritanniens Artikel 50 einfach in die Wege leiten darf, oder dafür die Rückendeckung des Parlaments benötige. JPMorgan rechne allerdings fest damit, dass der Premier sich die Zustimmung des Parlaments holen wird, da das Referendum rechtlich nicht bindend sei. Sollten sich genügend konservative Abgeordnete finden, die ihre Zustimmung verweigern, könnte der EU-Austrittsprozess noch gestoppt werden. Malcolm Barr geht allerdings eigenen Worten nach davon aus, dass es nicht zu einem Stop durch Parlamentsabgeordnete kommen wird, sondern diese sich dem "Willen des Volkes" unterordnen.

Redaktion finanzen.net