Interview

Rohstoff-Experte: "Einschneidendste Veränderung seit 30 Jahren"

aktualisiert 29.03.15 11:25 Uhr

Rohstoff-Experte: "Einschneidendste Veränderung seit 30 Jahren" | finanzen.net

Billiges Öl bildet die Grundlage für den nächsten Aufschwung der Rohstoffpreise, meint David Donora von der Fondsgesellschaft Threadneedle Investments.

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Rohstoffe

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von Julia Groß, Euro am Sonntag

Seit über einem Jahrzehnt ist das Preisniveau bei Rohstoffen nicht mehr so niedrig gewesen wie jetzt. David Donora, Leiter Rohstoffinvestments bei Threadneedle, erklärt, warum er an einen generellen Anstieg der Notierungen glaubt.

€uro am Sonntag: Der Ölpreis hat sich innerhalb weniger Monate halbiert. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
David Donora:
Was gerade auf dem Ölmarkt passiert, ist meiner Meinung nach die einschneidendste Veränderung seit 30 Jahren. Die OPEC hat ihre Rolle als Zentralbank für Öl aufgegeben, und das hat enorme Auswirkungen sowohl auf Industrie-, als auch auf Schwellenländer.

Welche sind das?
Schwellenländer wie Venezuela, Nigeria oder Libyen konnten selbst bei einem Ölpreis von 100 US-Dollar ihre Produktion nicht steigern. Sie geraten jetzt erheblich unter Druck, die soziale Stabilität ist gefährdet. Auch für Russland ist das eine weitere Herausforderung.

Und in den Industrieländern?
Da sieht es ganz anders aus. Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt fühlt sich Öl billig an. Nicht nur für die Verbraucher, sondern auch für die Industrie. Ich erwarte deshalb, dass die Nachfrage steigt. Wir sehen dafür jetzt schon Anzeichen in den USA, in Indien und im asiatischen Raum, besonders in China. Historisch betrachtet lag der Tiefpunkt für den Ölpreis häufig im ersten Quartal. Im dritten Quartal startet die Urlaubssaison in Nordamerika. Ich könnte mir vorstellen, dass die Nachfrage dann das Angebot übertrifft.

Das heißt, der Ölpreis könnte sich in der zweiten Hälfte des Jahres ­erholen?
Schon, aber nicht wieder auf das Niveau von 100 US-Dollar pro Barrel. Die Saudis haben ja bestätigt, dass sie durch dauerhaft niedrige Preise ihren Marktanteil verteidigen wollen. Das bedeutet aber: Viel von dem Geld, das vorher in die Kassen der Ölproduzenten floss, haben jetzt die Verbraucher zur Verfügung. Gleichzeitig beobachten wir in einigen Regionen wieder einen Anstieg der ­realen Löhne. Das sind genau die richtigen Voraussetzungen für langfristiges und nachhaltiges globales Wachstum.

Was bedeutet das für die anderen Rohstoffklassen?
Öl war der letzte Rohstoff, dessen Preis massiv nachgegeben hat, alle anderen befinden sich schon seit 2011 in einem Bärenmarkt. Mit Ausnahme von Lebendrind notieren alle unterhalb ihres Fünf-Jahres-Durchschnittspreises. Hier wurden seit längerer Zeit Investitionen zurückgefahren und Sparmaßnahmen eingeleitet. Wenn jetzt die Nachfrage aufgrund einer positiven Konjunkturentwicklung steigt, sind wir wahrscheinlich nicht weit von einer Defizitsituation entfernt. Und das Angebot kann in der Regel nicht schnell wieder hochgefahren werden. Das sollte sich positiv auf die Preise auswirken.

Gibt es einen Rohstoff, der besonders stark profitieren könnte?
Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass wir bei den Agrarrohstoffen immer nur eine Schlechtwetterphase von einem Angebots­defizit entfernt sind.

Bildquellen: Threadneedle

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