Saisonalität nutzen: Eine erfolgversprechende Strategie

Bei vielen Rohstoffen sind saisonale Muster erkennbar. Statistisch belegen lassen sich diese zwar nicht, Anleger sollten sie trotzdem kennen und nutzen.
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von Christoph Platt, Euro am Sonntag
Sell in May and go away" - so lautet eine alte Faustregel für Aktionäre. Sie beruht auf der Tatsache, dass sich Aktien historisch betrachtet in den Sommermonaten eher unterdurchschnittlich entwickelt haben. Weil das vierte Quartal traditionell als stark gilt, wird der Merkspruch aber gern um eine weitere Regel ergänzt: "But remember to come back in September" - vergiss nicht, im September wieder einzusteigen!

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Plus500: Beachten Sie bitte die Hinweise5 zu dieser Werbung.Saisonale Muster lassen sich indes nicht nur bei Aktien erkennen, sondern auch bei Rohstoffen. Für Agrargüter liegt das nahe, denn das Angebot richtet sich nach dem ständigen Kreislauf von Aussaat, Wachstum und Ernte.
So zieht etwa der Kaffeepreis im langfristigen Durchschnitt im April und Mai spürbar an. Hintergrund: In Brasilien, im Hauptanbauland, beginnt der Winter. Kommt es zu Frost, werden die empfindlichen Kaffeesträucher beschädigt, was den Ertrag reduzieren kann. Wettervorhersagen werden daher im April und Mai von den Anlegern besonders nervös verfolgt - und können entsprechend heftige Preisausschläge auslösen.
Ebenso vom Wetter abhängig ist Weizen, der vor allem auf der Nordhalbkugel angebaut wird. Regnet es im Frühjahr ergiebig, kann dies zu einer reichen Ernte führen. Das sorgt dann für fallende Preise, weil viel Getreide auf den Markt kommt.
Nicht nur Agrargüter
Aber auch andere Rohstoffe zeigen saisonale Besonderheiten. Beispielsweise das Industriemetall Blei. "Mehr als die Hälfte der Bleinachfrage stammt aus dem Kfz-Bereich, wo das Metall vor allem für Batterien verwendet wird", sagt Thorsten Proettel von der Landesbank Baden-Württemberg. "Insbesondere im Winterhalbjahr steigt auf der Nordhalbkugel die Nachfrage nach neuen Batterien, was sich auch am Preis bemerkbar macht", erklärt er.
Starke saisonale Muster lassen sich auch bei Erdgas erkennen. "Erdgas ist nur schwer zu lagern. Weil die Nachfrage im Winter höher ist, steigt der Preis in dieser Zeit deutlich an", sagt Eugen Weinberg von der Commerzbank.
Der Analyst verweist zudem auf Auffälligkeiten bei Gold, das im Sommer meist schwächer und im Herbst stärker notiert. "Die Anleger, die den Goldpreis in den vergangenen Jahren maßgeblich beeinflusst haben, sind im Sommer im Urlaub. Dadurch gehen die Handelsvolumina zurück", sagt er. Als ein Grund für den tendenziell stärkeren Herbst gilt die Hochzeits- und Festsaison in asiatischen Ländern, allen voran in Indien, im vierten Quartal.
Obwohl sich Auffälligkeiten bei der Preisentwicklung von Rohstoffen erkennen lassen, ist Weinberg mit dem Begriff Saisonalität vorsichtig. "Die Muster, die sich erahnen lassen, sind mathematisch kaum zu belegen", sagt er. Soll heißen: Manchmal treten Effekte auf, die sich saisonal erklären lassen, manchmal bleiben sie aber auch aus. Statistisch signifikant sind die vermeintlichen Muster also nicht.
Dennoch versuchen Anleger seit jeher, diese aufzuspüren und für sich zu nutzen. Ungeachtet der fehlenden mathematischen Belastbarkeit ist das aus zwei Gründen problematisch. Zum einen wirken sich saisonale Effekte umso weniger aus, je mehr Anleger darauf setzen. Zum anderen sind manche saisonalen Muster wie beim Beispiel Erdgas bereits in den Terminkurven enthalten. "In diesem Fall kann der Anleger praktisch kaum partizipieren", erklärt LBBW-Fachmann Proettel. "Er kann Erdgas nämlich nicht physisch kaufen, sondern nur in Form von Zertifikaten oder anderen auf Futures basierenden Wertpapieren." In den Future-Preisen werden saisonale Muster aber bereits vorweggenommen, sodass das Engagement für private Anleger letztlich zum Nullsummenspiel wird.
Trotzdem: Das Bemühen, gute von schlechten Phasen zu trennen, hat seinen Reiz - bei Aktien wie bei Rohstoffen. Eine einfache Strategie verfolgt ETF Securities, die börsengehandelte Wertpapiere auf Rohstoffe anbietet. Die Gesellschaft analysierte die Monatsrenditen von Rohstoffsektoren in den vergangenen 25 Jahren. Ergebnis: Im Schnitt entwickelten sich Rohstoffe in ihrer Gesamtheit in den ersten vier Monaten des Jahres am besten (siehe Investor-Info).
ETF Securities berechnete deshalb die Performance einer Strategie, die von Januar bis April in einen Rohstoffkorb investiert ist und die übrige Zeit des Jahres Bargeld hält. Diese erzielte seit 1991 eine jährliche Rendite von 6,8 Prozent - im Vergleich zur Rendite von 2,1 Prozent, wenn man alle Rohstoffe seitdem durchgängig gehalten hätte.
"Besonders erfolgreich war die Strategie in den Sektoren Agrargüter und Industriemetalle", sagt James Butterfill, Chefanlagestratege bei ETF Securities. Auch er muss aber zugeben, dass die Ergebnisse mathematisch nicht signifikant sind. "Saisonale Bewegungen sind statistisch gesehen nicht von Bedeutung", fügt er hinzu.
Rückblickend betrachtet hätte die Strategie gleichwohl überzeugende Ergebnisse geliefert. Anleger, die sie ausprobieren möchten, nutzen dazu am besten einen ETC, der breit gestreut die Entwicklung der Rohstoffpreise wiedergibt.
Investor-Info
Rohstoffe versus Aktien
Monatliche Rendite
Die Grafik zeigt die durchschnittliche Wertentwicklung je Kalendermonat seit 1991 für Rohstoffe und Aktien (MSCI World). Rohstoffe legten im historischen Mittel vor allem in den ersten vier Monaten des Jahres zu.
ETFS All Commodities
Korb aus 22 Rohstoffen
Aus Diversifizierungsgründen sind Rohstoffe eine Bereicherung für jedes Depot. In diesem Sinn ist die Kaufempfehlung von €uro am Sonntag für den breit streuenden ETC ETFS All Commodities zu verstehen. Wer hingegen der saisonalen Strategie von ETF Securities folgen will und dabei sehr langfristig orientiert ist, muss jetzt raus aus Rohstoffen.
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