Euro-Interview

„Haben auch Reiche jetzt Angst um ihr Geld, Herr von Metzler?“

aktualisiert 17.05.10 11:37 Uhr

Deutschlands älteste Bank in Familienbesitz verwaltet Milliarden für vermögende Kunden. Bankchef Friedrich von Metzler und sein oberster Portfoliomanager über ihre Anlagestrategie in der Krise.

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4.472,1 PKT 52,3 PKT 1,18%

von Mario Müller-Dofel, Euro Magazin

Euro: Herr von Metzler, die Europäische Union steckt in einer dramatischen Verschuldungskrise. Ist die EU noch zu retten?
Friedrich von Metzler:
Davon gehe ich fest aus. Es stimmt mich positiv, wie sich die Mitgliedsländer um die Probleme der EU kümmern und zum Beispiel die griechische Regierung alte Missstände in ihrem Land beseitigen will.

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Wie sehen Sie die Rolle der EZB, die jetzt auch griechische Staatsanleihen als Sicherheit für ihre Kredite akzeptiert, obwohl diese als „Ramsch“ bewertet werden und deshalb nicht als Sicherheit dienen dürften?
von Metzler:
Außergewöhnliche Vorfälle können außergewöhnliche Maßnahmen erfordern. Ich meine – trotz aller Unkenrufe –, dass die EU die Finanzkrise gut managt. Sonst wäre es schon viel schlimmer gekommen.

Aber sollte Griechenland die Eurozone nicht besser verlassen und sich wieder die Drachme zulegen, um durch deren Abwertung wettbewerbsfähig zu werden?
von Metzler:
Das würde den Euro nur schwächen. Wir brauchen aber einen starken Euro, weil er Europa politisch eint und Länder wie Griechenland unter Effizienzdruck bringt. Die Historie zeigt, dass es nie nachhaltig half, wenn Länder sich durch die Abwertung ihrer Währung kurzfristig entlastet haben. Schauen Sie die deutsche Industrie nach dem Zweiten Weltkrieg an: Die musste sich auch wegen der sehr starken D-Mark immer effizienter aufstellen, was ihre Weltmarktposition stetig verbesserte. Der Euro ist ein Segen, um den wir kämpfen müssen.

Viele Banken wurden 2009 mit Staatsgeldern vor dem Ruin gerettet. Heute wird wieder gezockt wie vor der Finanzkrise, sogar auf eine Griechen-Pleite. Darf das sein?
von Metzler:
Diesem Vorwurf widerspreche ich. Ursprünglich hatten Finanzinstitute in griechische Staatsanleihen investiert, weil diese überdurchschnittlich rentierten. Dafür nahmen sie höhere Risiken in Kauf. Das ist nicht verwerflich. Inzwischen steht das Land schlechter da als gedacht – und die Anleihen müssen vielleicht abgeschrieben werden. Dann hätten die Banken gar nichts verdient. Das passiert eben im Anlagegeschäft.

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Herr Naab, Sie sind Anlagestrategiechef bei Metzler Private Banking, der Vermögensverwaltung der Bank. Haben auch Sie Ihren Kunden griechische Staatsanleihen ins Depot gelegt?
Frank Naab:
Nein. Denn uns als langfristig orientierten, konservativen Value-Investoren waren die Risiken zu hoch. Aber man sollte Investoren nicht für den Kauf dieser Papiere beschimpfen. Wenn sie ihre Risiken aus Griechenland-Papieren nun absichern möchten, ist das aus Anlegersicht nur vernünftig.

Wie definieren Sie die Verantwortung eines Bankiers, Herr von Metzler?
von Metzler:
Unsere Aufgabe ist es, den Kunden so zu beraten, dass er durch unsere langfristigen Strategien sein Vermögen erhält und vermehrt, sodass er immer unser Kunde bleibt.

Herr Naab, Metzler Private Banking verwaltet vor allem Depots sehr vermögender Kunden. Haben diese Leute wegen der Finanzkrise schon Angst um ihr Geld?
Naab:
Das sehe ich nicht. Wir stellen kaum Verhaltensunterschiede gegenüber den Zeiten vor der Krise fest, auch nicht bei der Risikowahrnehmung. Das liegt vielleicht daran, dass Kunden unseres Hauses weder kurzfristige noch höchstmögliche Gewinne erwarten. Die wären schließlich nur mit überdurchschnittlichen Risiken erreichbar.

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Was heißt „kaum“ Verhaltensunterschiede?
Naab:
Nun, manche Kunden fürchten die Gefahr steigender Inflationsraten.

Sie auch, Herr von Metzler? Soweit wir wissen, sind auch Sie Kunde Ihrer Bank.
von Metzler:
Richtig, ich lasse mein Depot von Herrn Naab und seinem Team verwalten. Und auch ich halte angesichts der aktuellen Geldpolitik und Verschuldungssituation mittel- bis langfristig höhere Inflationsraten für wahrscheinlich.

Auf der nächsten Seite lesen Sie, welche Anlagen von Metzler und Naab als Gegenstrategie zur drohenden Geldentwertung empfehlen. Als Gegenstrategie empfehlen manche Vermögensverwalter Gold. Was meinen Sie?
von Metzler:
Als langfristige Absicherung gegen eine eventuell steigende Inflation ist Gold empfehlenswert. Ich halte jedoch nur physisches für sicher; das erhält man zum Beispiel bei Xetra-Gold der Deutschen Börse, bei dem sich der Investor sein Gold jederzeit sogar grammweise ausliefern lassen kann.
Naab: Wir nehmen allerdings kein Gold in Kundendepots. Die bestehen nur aus Aktien, Anleihen und Kasse. Wenn sich Kunden von uns für Gold entscheiden, deponieren sie es außerhalb der Metzler-Vermögensverwaltung.

Die Aktienmärkte halten sich trotz diverser Horrorszenarien auf relativ hohem Niveau. Woher kommt diese Stabilität?
Naab:
Im ersten Halbjahr 2009 erlebten wir nach dem Crash im Jahr zuvor eine Erleichterungsrally. Die Welt ging nicht unter, und die meisten Unternehmen überlebten. Dann wirkten die richtigen Maßnahmen der Staaten und Notenbanken sowie die Kostensenkungen der Firmen. Seit der Jahreswende basiert der Hausse-Trend auf einer besseren Konjunktur und steigenden Unternehmensgewinnen.

Seit April stockt die Hausse aber. Droht nun eine Trendumkehr?
Naab:
Auch wenn die Flut nicht mehr alle Boote hebt: Wir glauben, dass sich die Aktienhausse fortsetzt. Die Unternehmen sind zwar im Schnitt höher bewertet als 2009 aber eben noch nicht überbewertet. Zudem hilft es den Kursen, dass sich andere Anlageformen sehr schlecht verzinsen.

Wie sind hier die Relationen?
Naab:
Solange Festgeld gerade mal ein halbes Prozent und deutsche Staatsanleihen mit zehn Jahren Restlaufzeit nur drei Prozent Zinsen bringen, bleiben Aktien attraktiv. Übrigens liegt die durchschnittliche Dividendenrendite europäischer Aktien erstmals seit einem Vierteljahrhundert über der Rendite fünfjähriger Bundesanleihen. Wir gehen davon aus, dass die inzwischen zehnjährige Phase der besseren Wertentwicklung von Anleihen gegenüber Aktien zu Ende geht. Und wenn die Inflationsraten steigen, dürfte die Realverzinsung von Anleihen fast auf Null, bei kurzen Restlaufzeiten sogar unter Null sinken.

Herr von Metzler, Ihr Haus trommelt seit jeher für Aktien. Warum diese Vehemenz? Es gibt doch auch andere Anlageformen - wie Anleihen und Zertifikate.
von Metzler:
Schauen Sie die Krisen der vergangenen 100 Jahre an: Die haben Anleger mit guten Firmenbeteiligungen am besten überstanden. Zwar waren sogar Aktien starker Unternehmen manchmal kaum mehr etwas wert – nach dem Zweiten Weltkrieg zum Beispiel. Aber nur vorübergehend. Solide Substanzwerte sind immer wieder gestiegen. Bei Staatsanleihen war es so, dass die von den Regierungen zwar meist verzinst und getilgt wurden, aber häufig mit wertlosem Geld! So geschehen nach dem Ersten Weltkrieg.

Aber ein neuer Krieg ist nicht in Sicht und auch – noch – keine starke Inflation.
von Metzler:
Die Gefahr bei Anleihen besteht darin, dass sie – wie Festgelder – auf einem reinen Schuldner-Gläubiger-Verhältnis basieren. Nur auf einem Rückzahlungsversprechen! Und die Finanzkrise hat gezeigt, wie schnell Anleihe- und Festgeldschuldner mit diesem Versprechen in Schwierigkeiten kommen können. Dennoch plädieren wir für ein ausgewogenes Wertpapierdepot.

Was bedeutet „ausgewogen“ für Sie, Herr Naab?
Naab:
Wenn wir von Kunden keine Restriktionen etwa bezüglich der Aktienquote auferlegt bekommen, besteht das ausgewogene Depot derzeit aus 57 Prozent Aktien und 43 Prozent Anleihen und Kasse.

Auf der nächsten Seite lesen Sie, was von Metzler und Naab von Zertifikaten halten. Wie lange behalten Sie Einzelaktien?
Naab:
Bis sich unsere Erwartungen an die Kurse nach dem Value-Ansatz erfüllen, vergehen oft anderthalb Jahre und mehr.
von Metzler: Man darf sich nicht von der Tagesberichterstattung verrückt machen lassen. Wir sagen: Wer Buffetts Rendite will, braucht auch Buffetts Geduld.

Haben Sie auch ein paar konkrete Aktientipps für uns?
Naab:
Wir bevorzugen europäische Konsumgüter- und Industriekonzerne, die mit starken Marken von der Globalisierung, speziell vom Schwellenländerwachstum Südamerikas und Asiens, profitieren. Das sind beispielsweise der Anlagenbauer ABB, der Uhrenhersteller Swatch, der Zementhersteller Holcim, aber auch diverse deutsche Konzerne.

Kaufen Sie für Ihre Kunden auch an Konzernen, die in Schwellenländern ansässig sind?
Naab:
Nein. Metzler Privat Banking nutzt die Chancen internationaler Konzerne an den Wachstumsmärkten, ohne die Nachteile – zum Beispiel Währungs-, Rechts- und Regulierungsrisiken – mitzukaufen.

Was halten Sie von Zertifikaten?
Naab:
Wie gesagt: Metzler Private Banking versteht sich als Value-Investor. Unsere Entscheidungen zielen auf langfristige Werthaltigkeit. Und da sich der Wert von strukturierten Produkten nicht verlässlich bestimmen lässt, lassen wir die Finger davon. Das war auch so, bevor Zertifikate durch die Pleite der US-Bank Lehman Brothers 2008 in Verruf gerieten. Das Emittentenrisiko war uns und unseren Kunden immer zu hoch.
von Metzler: Wo sollen die Vorteile von Zertifikaten gegenüber guten Aktien sein? Mit einer normalen, guten Aktienauswahl sind die Indizes zu schlagen. Unsere Depotmanager beweisen das. Und wenn wir den Menschen dieses Landes die Aktienkultur näher bringen wollen, was für ihr wirtschaftliches Verständnis wichtig wäre, darf man sie nicht mit Zertifikaten überschütten.

Sie nutzen Zertifikate auch nicht zur Wertpapierabsicherung, Herr Naab?
Naab:
Nein. Wenn wir absichern, kaufen wir börsengelistete Optionen ohne Emittentenrisiko. In der Regel verzichten wir aber darauf und verkaufen unsere Wertpapiere lieber, wenn sich unsere Gesamteinschätzung ändert.

Herr von Metzler, verraten Sie uns noch, wie sich Ihr Depot unter Herr Naabs Obhut seit Ausbruch der Finanzkrise entwickelt hat? von Metzler: (lacht) Herr Naab, sagen Sie mal etwas dazu.
Naab: Für Herrn von Metzlers Depot gilt, was für andere Kundendepots auch gilt: kein Kommentar. Aber da er im Rahmen unserer Private-Banking-Strategie anlegt, kann ich sagen, wie sich ein durchschnittliches, ausgewogenes Kundendepot entwickelt hat.

Wir bitten darum.
Naab:
Es lag Ende April nur knapp unter den Höchstständen vom Sommer 2007. Wichtig war, dass wir in der Finanzkrise nicht die Nerven verloren und verkauft haben. Das ist ein häufiger Fehler. Man muss seiner Anlagestrategie treu bleiben – dann erzielt man sogar bessere Ergebnisse als die Vergleichsindizes.

Herr Naab, Herr von Metzler, vielen Dank für das Gespräch.

Vitae

Friedrich von Metzler, geboren am 23. April 1943 in Dresden, ist seit 1971 Chef des Bankhauses B. Metzler seel. Sohn & Co. KGaA. Die älteste deutsche Privatbank in Familienhand entstand aus dem Unternehmen Benjamin Metzlers, eines Vorfahren von Friedrich, der 1674 mit einem Handelsgeschäft begann. Im 18. Jahrhundert wurde daraus eine Bank. Sie hat ihren Hauptsitz in Frankfurt/Main. Dort engagiert sich der 67-Jährige von Metzler auch als Förderer von Kunst und Kultur.

Frank Naab, 44, leitet seit 1999 das Portfoliomanagement der Vermögensverwaltung Metzler Private Banking. Davor war er für die Saar Bank, Sal. Oppenheim und die Deutsche Bank tätig.


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